Der Oberbefehlshaber der NATO, Christopher Cavoli, warnt davor, dass das russische Militär trotz der Verluste im Ukraine-Krieg zu einem gefährlichen Gegner für das Bündnis wird. „Am Ende des Ukraine-Krieges, wie immer er auch ausgeht, wird die russische Armee stärker sein als heute“, sagte Cavoli im Interview mit „Der Spiegel“. Die NATO dürfe sich keine Illusionen über die militärische Stärke Russlands machen. „Die russischen Streitkräfte lernen, verbessern sich und setzen die im Krieg gewonnenen Erfahrungen um“, so Cavoli.
Als Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) forderte Cavoli die NATO auf, sich schnell auf diese Bedrohung vorzubereiten. Russland werde zu einem Gegner mit bedeutenden militärischen Fähigkeiten und „klaren Absichten“, betonte Cavoli. „Deshalb müssen wir vorbereitet sein und Streitkräfte aufbauen, die dieser Bedrohung gewachsen sind“, verlangte der US-General.
Cavoli betonte zudem, dass die neuen Verteidigungspläne des Bündnisses und die daraus resultierenden zusätzlichen Anforderungen an die einzelnen NATO-Partner zügig umgesetzt werden müssen. „Wenn ich ‚schnell‘ sage, meine ich, dass wir schneller sein müssen als die Russen“, erklärte der Vier-Sterne-General.
„Zwei Prozent sind zu wenig“ — aber ein „Minimum“
Als Oberbefehlshaber hat Cavoli in den letzten zwei Jahren neue Verteidigungspläne für die NATO vorbereitet. Daraus ergeben sich nun zusätzliche militärische Anforderungen für die einzelnen NATO-Staaten. „Alle NATO-Länder müssen die militärischen Fähigkeiten ihrer Streitkräfte erheblich ausbauen“, erklärte Cavoli. In einem gemeinsamen Interview forderten er und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, die NATO-Mitgliedsstaaten auf, ihre Militärausgaben zu erhöhen.
Cavoli betonte, dass das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP nicht mehr ausreichend sei. „Alle NATO-Partner werden verstehen, dass diese zwei Prozent nicht genügen, sobald wir die konkreten militärischen Anforderungen für die einzelnen Staaten vorstellen“, so der US-General. „Für mich sind zwei Prozent nur das absolute Minimum.“
Breuer hob hervor, dass die Umsetzung der neuen Verteidigungspläne aus militärischer Sicht zwingend erforderlich sei. „Es gibt keine Alternative zu diesen Plänen und deren Umsetzung“, sagte Breuer. Die Bedrohung und die Notwendigkeit ausreichender militärischer Ressourcen seien nicht verhandelbar. Der Kreml betrachtet Deutschland bereits als Feind.